Abschied von Dr. Norbert Küpper

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„Holsterhauser durch und durch“

Dr. Norbert Küpper, das Holsterhauser „Urgestein“, hat uns am 26. Juni für immer verlassen. In seiner Jugend lebte er mit seinen Eltern in der Keplerstraße. Sein Blick fiel täglich auf den Sportplatz des TuS 81 und die Stephanuskirche. Die Verbundenheit mit diesem Ausblick hat ihn zeitlebens geprägt.

Seine Kirche „Stephanus“ wurde 2 Jahre vor seiner Geburt erbaut. Im 2. Weltkrieg wurde sie vollständig zerstört und dann wieder aufgebaut – in einer Zeit jedweder Knappheit. Kirchentreue Holsterhauser Bürger, gleich welchen Standes, ob Handwerker, Metzger, Bäcker, Rechtsanwalt oder einfacher Arbeiter, besorgten oder lieferten alle notwendigen Materialien, egal ob Steine, Mörtel, Holz und anderes. Die Frauen halfen, wo sie konnten, versorgten die Männer, räumten auf. Man nannte sie die Trümmerfrauen. Wiederaufbau war angesagt nach dem 2. Weltkrieg, dies waren die prägenden Jahre des jungen Norbert Küpper. Gemeinschaftssinn, Zusammenhalt im Kreis der Holsterhauser waren das Heimatgefühl in Geborgenheit aller miteinander und untereinander. Im Zentrum des Geschehens stand die Kirche mit ihrem Umfeld.

Nach all diesen aufopferungsvollen Tätigkeiten und dem unermüdlichen Einsatz für den Wiederaufbau der Kirche, das gewonnene Stück Heimat, die Gemeinde St. Stephanus, wurde diese Kirche im Jahres 2008 unter Bischof Felix Genn geschlossen, entsakralisiert. Der Kirchenbau aus Stein, St. Stephanus in Essen-Holsterhausen, hatte eine kürzere Lebensdauer als sein Gemeindemitglied Norbert Küpper und viele andere, – welch ein Hohn, was für Konsequenzen! „Bildet kleine Gruppierungen, sorgt in diesen füreinander!“ sagt unser jetziger Papst Franziskus. Diese Worte wurden für Norbert Küpper zu spät gesagt, um erneut nach ihnen handeln zu können. Nach der Insolvenz des neuen Besitzers der Grundstücke verkommen Gebäude und Umgebung.

Die Familie Küpper gehörte zu den gestaltenden Familien der in der Endphase der 1920er Jahre im Westen von Mariä Empfängnis entstandenen Gemeinde, – in seiner Hochzeit eine äußerst lebendige Gemeinde, die in den Kriegsjahren Pfarrer – Karl Balter – und drei Kapläne hatte. Norbert Küpper, der seit seiner Jugend wie sein Großvater und sein Vater auch in den pfarrlichen Gremien führend tätig war, war stolz auf das 50-jährige Jubiläum, zu dem er mit anderen eine Romwallfahrt und eine Festveranstaltung im Essener Saalbau durchgeführt hat.

Kirche im Dorf war heimatgetaltend, und Holsterhausen ist aus ländlicher Vergangenheit zu einem Stadtteil geworden. Stadtteile wiederum wurden von ihren Bürgern zu dem gemacht, was sie am Ende waren. Die Heimatbücher, die Norbert Küpper verfasst hat, sprechen vom Urgestein Holsterhausens, nicht zuletzt von den einfachen Menschen, die einen Ort lebendig und liebenswert machen. Holsterhausen ist nicht Borbeck oder Steele, auch nicht Rüttenscheid oder gar Bredeney. Warum? Norbert Küppers Orientierungspunkte waren die Kirchen, Mariä Empfängnis, Melanchthon, auch die BMV und dann eben St. Stephanus.

Gleichsam auf der Grenze zwischen Empfängnis und Stephanus steht am Ende der Gemarkenstraße, am Stammhaus, die Skulptur von Waldemar Otto „Mann aus der Enge hervortretend“. Norbert Küpper, der Gründer des Holsterhauser Bürgerbundes, hat sich dafür eingesetzt, dass dieses Denkmal nach Holsterhausen kam. Die Bronze-Skulptur war für ihn wegweisend: „Der Mann tritt aus der Enge hervor: Not und Leid liegen hinter ihm, er tritt hinaus in eine bessere Zukunft, die ihn so blendet, dass er noch die Augen geschlossen hält, aber mit kräftigen Händen bahnt er sich den Weg in die Zukunft.“ .

Über Norbert Küppers Totenbrief steht der Satz aus Psalm 18,20: „Du führst mich hinaus ins Weite.“ Man kann gut nachvollziehen, dass Norbert Küpper das in seinem Leben gelernt und erfahren hat. Als die Stadt 2002 an ihr Gründungsjahr 852 erinnert wurde, verfasste er seine Altfrid-Kantate und ließ sie vertonen. Damals war er Stellvertretender Vorsitzender des Katholischen Akademikerverbands Essen. Er übergab die Kantate dem damaligen Dompropst Günter Berghaus und dem Essener Domkapitel.

Klinikpfarrer Christian Böckmann erwähnte in seiner Ansprache im Trauergottesdienst, dass der Verlust „seiner“ Kirche St. Stephanus bei Norbert Küpper zu einem Bruch in seiner Glaubensbiographie geführt hat, dass er gehadert und innerlich gerungen hat. Seine Zweifel an der Institution Kirche im Bistum Essen hat er auch mir gegenüber immer wieder kundgetan, doch war seine frühe Prägung durch die Heimatgemeinde so stark, dass er seinen Glauben niemals verloren hat.

Den nachhaltigen Einsatz in der Öffentlichkeit vermisste er in der jüngeren Vergangenheit – bei uns im Katholischen Akademikerverband genauso wie in der Altfrid Gilde, deren Vorsitzender er auch war. Für ihn galt, was wir in letzter Zeit immer wieder betonen: Wir mischen uns ein in den öffentlichen Diskurs. Ein Beispiel, das er gerne erwähnte, war vor Jahren der Einsatz für den Erhalt der Siechenhauskapelle in Essen-Rüttenscheid. Damals protestierten Willi Kierdorf, viele Laien und der Katholische Akademikerverband gegen den Abriss und finanzierten die Renovierung. Norbert Küpper setzte sich auch für die Renovierung der Baldeneykapelle ein; hier konnte er aber nicht die Verbände motivieren, sie wurde anderweitig gerettet.

Viele Menschen trauern in diesen Tagen um Dr. Norbert Küpper und stellen fest, dass er nicht zu ersetzen ist. Sein Tod sollte für die Verbände und Vereine, denen er angehört und die er inspiriert hat, ein Aufruf sein, den Idealen, denen er ein Gesicht gegeben hat, auch in Zukunft die Treue zu halten, ja sich erneut aktiv für die christlichen Werte in der Öffentlichkeit einzusetzen Mit unserem Newsletter und seinen Dokumentationen möchten wir einen Beitrag dazu leisten.

Prof. DDr. Hans Waldenfels SJ

 

Amen

Es ist Zeit, Herr,
Amen zu sagen und Dank
für die bisherige Fülle
und den Reichtum des Lebens.

Es ist Zeit, Herr,
Amen zu sagen und Dank
für alle Poesie und das Echo der Liebe,
für das vielfältig gesprochene Wort
und den Glanz der Musik.

Es ist Zeit, Herr,
Amen zu sagen und Dank
für alle Nuancen des Glücklichseins
und den weiten Horizont der Gedanken.

Es bleibt, Herr,
das Sakrament des Glaubens
inmitten des Schmerzes
und es bleibt
der Stachel des Leids
inmitten des Atems der Gnade.

Es ist Zeit, Herr,
Amen zu sagen
und dem großen Frieden
Einlass zu gewähren
durch den offenstehenden
Spalt des Herzens.

Hier nun ist Amen
zu sagen
und im tiefsten Vertrauen
sich dir, dem Ewigen zu überlassen.

Amen
Pfarrer Günther Graßmann

 

„Du führst mich hinaus ins Weite…!“

Predigt von Pfarrer Günther Graßmann

Treffender hätte ein Leit-Vers über Norberts Leben, als Psalm 18,20 nicht sein können:

„Du führst mich hinaus ins Weite…!“

Ja, sein gesamtes Leben könnte man als Entfaltung von Weite betrachten, weil die Weite in ihm selber vorhanden war. Was für ein Spektrum an Lebensfacetten!

Mit Dr. Norbert Küpper verliert der Stadtteil Holsterhausen einen seiner bedeutendsten Repräsentanten, ein Urgestein, der seinem Stadtteil zu Ruhm und Ansehen verhelfen wollte und es auch hat. Seinem Engagement ist zu verdanken, dass es zur Gründung des Holsterhausener Bürgerbun-des gekommen ist. Mit Unermüdlichkeit und „Klinkenputzen“ im wörtlichen Sinne setzte er sich ein für die Errichtung der Bronze-Stele von Waldemar Otto: „Mann aus der Enge heraustretend“, die wie ein Appell an die Holsterhausener wirken sollte: „Tretet heraus aus eurer Enge, wie immer sie aussieht, seid euch eurer selbst bewusst!“

Predigt von Pfarrer Günther Graßmann

Mit Dr. phil. Norbert Küpper verlieren wir ein literarisches Universum, einen Meister der Rhetorik und der Eloquenz, einen Pädagogen vom Scheitel bis zur Sohle, einen Liebhaber der klassischen Musik.

Seine Arbeit über Heinrich von Kleist, von der er immer mit Stolz erzählte, dürfte, wenn sie im Buchhandel erhältlich wäre, ein Standardwerk sein. Er war mitunter ein Wanderer durch die Zeitepochen der Literatur, und unvergesslich bleibt seine Rede auf der Kartellversammlung der Gilde Deutschlands und des 50jährigen Jubiläums der Altfried-Gilde Essens, wo er ein und dasselbe Thema vom Mittelalter über das Barock und die Romantik bis zu Günter Grass in der jeweiligen sprachlichen Eigenart durchkonjungierte. Er war ein Verehrer von Johann Wolfgang von Goethe, insbesondere des „Faust“, und er war selbstverständlich Mitglied der Goethe Gesellschaft.

Seine Zeit als Studiendirektor am Gymnasium Essen Nord-Ost fällt mehr oder weniger in die pädagogische Aufbauarbeit der Bundesrepublik. Er war ein Meister des Erklärens und des Hinführens, um dem Anderen eine Sache nachvollziehbar zu machen. Seine Stärke lag im Erzählenkönnen in großen Bögen, um die Pointe zu treffen. Auch nach seiner Pensionierung gab es noch Kontakte zu Schülerinnen und Schülern.

Dr. Norbert Küpper war aus tiefstem Inneren Katholik. Sein Glaubenszentrum wurde, nachdem die geliebte Stephanuskirche geschlossen wurde, St. Maria Empfängnis, deren wöchentlicher Besuch selbstverständlich war. Bei allem guten Konservatismus und der Hochschätzung des Rituals fragte er dennoch gelegentlich hinter das Ritual, und da konnte man Zeuge werden von einer leisen Fundamentalkritik, die auch zu ihm gehörte. Unvergesslich werden die markanten Beiträge im ehemaligen Ruhrwort bleiben.

Die Herkunft, die Tradition, das gesamte Netz der gewachsenen Bezüge waren seine geistige Basis. Für sein umfangreiches kirchliches und soziales Engagement wurde ihm daher das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.

Mit Dr. Norbert Küpper verlieren wir einen Gemeinschaftsmenschen allererster Güte, der seinen Freundeskreis, insbesondere den der Altfrid-Gilde, kontinuierlich pflegte, und der auch die kranken Freunde seelsorgerisch nie im Stich ließ.

Es ist auffällig, dass Norbert selten über sein Befinden und seine Befindlichkeit gesprochen hat. Er konnte von sich absehen. Er war immer präsent, zugewandt und charmant, als Liebhaber des Lebens und der Sprache und des Erzählens umarmte er dich und mich.

Ich beende meinen kleinen Bogen seiner Lebensweite in der „Halben Höhe 3“. Sie war das Zentrum. Nein, ich korrigiere: Du, liebe Marion, warst das Zentrum, zumindest die letzten zehn Jahre, und natürlich ihr beiden Töchter, Karolin und Christina mit allen Enkelkindern. Du, Ihr ward die Mitte seines Lebens. Gewiss nicht immer spannungsglatt – und wie hätte es anders sein können – hat Norbert Dich, liebe Marion, auf allen Ebenen des täglichen Lebens unterstützt, damit Du auch deinen Weg gestalten konntest.

Ich möchte meinen Teil der Ansprache schließen und mit einem Hinweis auf Norberts tief beeindruckende Erzählung oder besser gesagt „Meditation“ über „Simeon von Cyrene“, dem der Balken zum Tragen aufgebürdet wurde, an dem dann Jesus von Nazareth sterben sollte.

Die kleine symbolische Erzählung liegt nur handschriftlich vor und hält all die Gedanken und Empfindungen des Simeon in einer Art Selbstgespräch fest, die ihm während des Kreuztragens bis hin zur Kreuzigung Jesu aufsteigen.

Die Pointe, die ich ganz bewusst nicht kommentieren möchte, kommt wie immer am Schluss: Dort lesen wir: „…als sie ihn (gemeint ist Jesus von Nazareth) auf den Rücken werfen, er sich aufzubäumen versucht, sieht er mich an. Diese Augen! Durch mich hindurch! Kurz und unendlich! Ich – wie gelähmt. Er sieht mich immer noch an. Ist es wahr? Er lächelt! Er sagt: „Danke! Du hast mich nicht allein gelassen – Du bist bei mir geblieben…“